Das Bündner Kantonsgericht hatte sich im Februar geweigert, mir zwei Urteile zugänglich zu machen. Jetzt spricht das Bundesgericht Klartext und heisst meine zusammen mit SRF geführte Beschwerde gut.
Die Bundesrichter kommen in ihrem Urteil (1C_123/2016) zum Schluss, dass das Bündner Kantonsgericht die Verfassung verletzt hat, konkret Art. 30 Abs. 3 BV:
„Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.“
Das Kantonsgericht hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass nur Urteile bekanntzugeben sind, die rechtskräftig sind. In der Schublade blieben dadurch strittigen sowie vom Bundesgericht korrigierte Urteile. Für das Bundesgericht eine unzulässige Praxis ohne Rechtsgrundlage, die die Kontrollfunktion der Medien untergrabe. „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Urteile grundsätzlich generell bekanntzugeben oder zur Kenntnisnahme bereitzuhalten sind“. Dazu gehöre grundsätzlich „das ganze Urteil mit Sachverhalt, Erwägungen und Dispositiv“.
Der Entscheid wurde von verschiedenen Medien teilweise ausführlich aufgenommen
NZZ – „Ordnungsruf an die Gerichte“ von Katharina Fontana (8.7.2016, online hier). „Man kann den Bundesgerichtsentscheid als klaren Ordnungsruf an jene kantonalen Gerichte verstehen, die sich mit der generellen Öffentlichkeit nach wie vor schwer tun. Es sollte ihnen jetzt klar sein, dass eine abweichende Praxis im Streitfall nicht geschützt ist.“
TAGESANZEIGER – „Bundesgericht: Urteile dürfen eingesehen werden“ von Thomas Hasler (8.7.2016). „Nicht zum ersten Mal hat sich das Bundesgericht mit der Frage der Urteilspublikation befasst, selten aber in dieser Deutlichkeit.“
INFOSPERBER – „Urteil mit Signalwirkung für Medien“ von Kurt Marti (8.7.2016 online hier). „Der Transparenz-Entscheid aus Lausanne hat Signalwirkung für die Berichterstattung der JournalistInnen über die kantonale Justiz. Ab sofort können sie sich darauf berufen. Und das ist dringend notwendig, denn das Bündner Kantonsgericht ist mit seiner restriktiven Praxis nicht allein. Die Gerichte in den meisten Kantonen haben vielfältige Tricks entwickelt, um allzu neugierige JournalistInnen abzuwimmeln oder hinzuhalten.“