Das Shoppingdorf in Landquart foutiert sich seit der Eröffnung um das Verbot der Sonntagsarbeit und kann dabei auf die Unterstützung der Bündner Regierung zählen. Im Februar 2015 schafft der Bundesrat eine gesetzliche Grundlage.
Zusammenfassung
Im November 2009 eröffnete das «Alpenrhein Village Outlet Shopping» (seit Ende 2012 «Designer Outlet»), eine Art Heidi-Shopping-Mall mit Läden in Chalets. Die Geschäfte sind sieben Tage die Woche offen. Seither wird gestritten um die Frage, ob die Läden am Sonntag offen haben dürfen. Ja! fand der Kanton: Ganz Graubünden sei touristisches Gebiet, Landquart könne wie St. Moritz oder Davos von einer Ausnahmeregelung profitieren. Nein! meinte die Gewerkschaft UNIA und verwies auf das Sonntagsarbeitsverbot.
Die Gewerkschaft obsiegte deutlich vor Bundesgericht im Februar 2014. Dieses schrieb in seiner Schlussfolgerung: «Auch touristische Konsumbedürfnisse sind nicht jederzeit an jedem Ort zu befriedigen.» Touristen dürfen also am Sonntag nur in einem Tourismus-Ort shoppen – sonst nicht.
«Auch touristische Konsumbedürfnisse sind nicht jederzeit an jedem Ort zu befriedigen.»
Nach dem Bundesgerichtsentscheid Mitte Februar 2014 passierte nichts. Das Outlet blieb offen, zuerst mit einer Sonderbewilligung des kantonalen Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit. Nachdem diese bereits mehrere Monate abgelaufen war, teilte das Amt Ende Juli mit, man warte weiterhin zu. Da sich eine politische Lösung in Bern abzeichne, wäre es übertrieben, den für den Umsatz wichtigen Einkaufssonntag zu torpedieren und damit Arbeitsplätze zu gefährden.
Die politische Lösung aus Bern liess aber auf sich warten. Konkret ging es um die Umsetzung der Motion Abate. Der Tessiner Ständerat Fabio Abate forderte 2012 auch Shopping als touristisches Angebot zu verstehen, das am Sonntag zur Verfügung stehen müsse. Seit November 2013 lag ein umstrittener Verordnungsentwurf vor.
Am 18. Februar 2015 teilte Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit, die Sonntagsarbeit in Einkaufszentren werde künftig erlaubt. Der starke Franken, die schwierige Wirtschaftslage rechtfertige eine solche nur punktuelle Lockerung. Die Verordnung ist so formuliert, dass die Regelung genau für die zwei fraglichen Shoppingeinrichtungen gilt: Das FoxTown in Mendrisio (Auslöser für den Vorstoss von Abate) und das Designer Outlet in Landquart.
Wie ein Vergleich des Verordnungsentwurfs mit der nun gültigen Fassung zeigt, wurden die Spielregeln spezifisch an die beiden Fälle angepasst: So darf ein solches Einkaufszentrum statt höchstens zehn neu 15 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt sein. Man habe nachgerechnet und gemerkt, dass es sonst zu knapp werde, räumte Schneider-Ammann an der Medienkonferenz ein. Aufgeweicht wurde auch die Regel, dass vor allem ausländische Touristen die Kunden sein sollen. Neu sind auch weniger als 50% ausländische Kunden möglich.
Beiträge für Radio SRF und srf.ch
→ 2. Mai 2014 ♦ Hauptsache Sonntagsverkauf: Rechtswidrige Bewilligung fürs Outlet
→ 7. Mai 2014 ♦ Regierungsrat Hansjörg Trachsel nimmt Stellung
→ 14. Mai 2014 ♦ Kritik von Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser
→ 23. Oktober 2014 ♦ Graubünden ignoriert Sonntagserkaufsverbot: Diskussion im Grossen Rat
→ 18. Februar 2015 ♦ Lex Outlet & Foxtown: Bundesrat ermöglicht Sonntagshopping in Einkaufszentren
Die rechtliche Grundlagen → Übersicht als .pdf
Zur Sonntagsarbeit im Designer Outlet Landquart
→ Urteil des Bundesgerichts 2C_44/2013, 12.2.14
→ Anfrage Brand Ja zum Tourismus. Sofort handeln statt behindern (Nationalrat), 8.5.2014
→ Anfrage Peyer/Antwort Regierung betreffend rechtsstaatliche Prinzipien und Rechtsgleichheit (Grosser Rat GR), 13.6.14
→ Mitteilung Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit „Sonntagsarbeit im Outlet“, 31.7.14
Dokumente zur Motion Abate
→ Motion Abate Stärkung des Schweizer Tourismus, 26.9.12 (angenommen, SR 24:11 / NR 121:56)
→ Verordnungsentwurf zur Umsetzung der Motion Abate, November 2013
→ Bericht zum Verordnungsentwurf des SECO, November 2013
→ Die Verordnung vom 18. Februar 2015 Alle Unterlagen des Bundesrats
Interessensgruppen
→ Sonntagsallianz Setzt sich für den freien Sonntag ein.
à propos
Das SECO schlug in seinem Verordnungsentwurf vor, die Grenznähe als eines von drei Kriterien zu nehmen: Einkaufszentren für Touristen mit Sonntagsverkauf sollen sich innerhalb eines 10-Kilometer-Streifens zur Schweizer Grenze befinden. An der Medienkonferenz im Februar 2015 zur Verordnung begründete Bundesrat Schneider-Ammann die Vergrösserung des Streifens auf 15 Kilometer mit dem Satz, man habe nochmals nachgerechnet. Nun reicht es auch für ein Stück Österreich.
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